PRYVIT-Sommer 2024: Drei Wochen ohne Luftalarm

PRYVIT-Sommer 2024: Drei Wochen ohne Luftalarm

 Nun sind sie schon wieder zurück in ihrer Heimat Ukraine, in den Dörfern rings um Narodychi. Es waren drei Wochen ohne Luftalarm und ohne radioaktive Strahlung, drei August-Wochen im Schullandheim Erlenried in Großhansdorf, in denen die 19 Jugendlichen im Alter von 10 bis 16 Jahren einfach mal nur Kind sein durften und so viel Neues erlebt haben. Drei Wochen, die ihnen den Horizont erweitert haben. Ihre große Dankbarkeit hat uns sehr berührt.

Alle vier Betreuer waren Ukrainerinnen, drei davon aktuell als Flüchtlinge in Deutschland. Zwei von ihnen haben für uns gedolmetscht, zwei haben die Kinder auf der 27stündigen Busfahrt aus der Ukraine und wieder zurückbegleitet. Sie haben die Kinder mit großem Einsatz drei Wochen lang von morgens bis abends und teilweise auch nachts betreut und sich um ihr Wohl gekümmert. Der Verein PRYVIT dankt ihnen für ihren enormen rein ehrenamtlichen Einsatz!

Die ersten Wochen waren geprägt von Arztbesuchen, die in der strukturell unterversorgten 2. Zone um das havarierte Kernkraftwerk von Tschernobyl kaum möglich sind und jetzt wegen der Kriegssituation erst recht nicht. Der freundliche Kinderarzt Dr. Behrens kam ins Schullandheim, die Augenklinik Manhagen reservierte einen ganzen Tag für uns, inklusive Mittagessen, der Optiker York Johann-to-Settel in Großhansdorf fertigte kostenlos fünf Brillen an, die Zahnarztpraxis Strachanowski in Ahrensburg legte einen Marathon hin: 54 Zahnfüllungen in 1 ½ Tagen! Ein paar Zähne mussten leider auch gezogen werden, wobei die Kieferchirurgie Brandes/Klatt/Huck/Schwaab in Berne Hilfestellung leistete. Ins Schullandheim kam auch das ambitionierte Trio Verwagner/Osten/Holl von der Hörakademie Lübeck. Sie konnten zum Glück keine Hörmängel feststellen, aber ein Kind wurde zur Entfernung von Cerumen zum HNO-Arzt Dr. Rozeh in Großhansdorf weitergeleitet. Schließlich wurden alle Kinder noch in der Endokrinologie der Schön Klinik Eilbek untersucht. Außer zwei Fällen von vergrößerten Schilddrüsen gab es zum Glück keine gravierenden Befunde.

Mehr Spaß machten natürlich die Ausflüge: Mit den Großen waren wir vom Bootsverein Obertrave zum Paddeln eingeladen, mit allen im Arriba Aqua Park in Norderstedt, bei der Freiwilligen Feuerwehr in Großhansdorf und im Kletterwald Meiendorf. Dort gab es oft lachende Gesichter, wenn die Kinder erfolgreich Hindernisse überwunden hatten. Gefallen hat ihnen auch der Besuch im Tierpark Hagenbeck – so etwas existiert in der Ukraine gar nicht. Großes Lob gab es auch für den informativen Ausflug nach Hamburg mit Sophie von Hülsen vom PRYVIT-Vorstand, einschließlich einer Fahrt auf der Elbe, sowie die interessanten Stunden im Miniatur Wunderland und das anschließende Wasserlichtkonzert bei Planten und Blomen. Da machten die Kinder große Augen! Das Rathaus Großhansdorf hatte die Kinder auch eingeladen und sie mit einem Fußball für jeden überrascht, der begeistert ins Reisegepäck kam, sowie einem freundlichen Barbetrag, mit dem die Kinder freudig in einem deutschen Supermarkt einkaufen gingen. Hier staunten sie über die Auswahl und kauften Präsente für ihre Lieben daheim. Das absolute Highlight aber war der Ausflug an die Ostsee, zu dem uns die zwei Schwestern Susanne Heins und Ann-Katrin Stanitzke in ihr Sommerhaus in Dahme eingeladen hatten, das direkt hinter der Strandpromenade liegt. Ihre Gastfreundschaft ist nicht zu toppen! Die Kinder hatten noch nie im Meer gebadet. Was für ein Erlebnis!

Von vielen Seiten bekamen die Kinder Spenden: Schuhe von der AWO Ahrensburg, Kleidung von Hanseatic Help, Rucksäcke von der Sparkasse Holstein, Früchte und Gemüse vom Obsthandel Radtke, Eis von Fa. Nori, Marzipan brachte Thomas Stumpf, Grillfleisch spendeten die Lions Großhansdorf, die auch vier Grillmeister stellten. Die Soundanlage für das Fest hat uns die Fa. Arentis kostenlos ausgeliehen. Vier ukrainische Flüchtlingsfrauen haben die Betten bezogen und die Badezimmer eingerichtet. Fahrdienste leisteten Sibylle Krause und Christiane Rahloff. Und der Feuerwehrmann Tom Girlich kam mit einem Mannschaftswagen – davon waren die Kinder schwer beeindruckt! Immer, wenn tatkräftige Hilfe benötigt wurde, waren zwei ukrainische Jungen zur Stelle, ehemalige PRYVIT-Kinder, die seit gut zwei Jahren als Flüchtlinge in Hamburg leben und inzwischen schon gut Deutsch sprechen: Artem und Serhii Zhukovskyi. Sie schleppten Gepäck und Umzugskartons, halfen beim Packen der Reisetaschen und bewachten sie am ZOB. Aber ohne unsere vielen Spender, die den Verein „Pryvit – Hilfe für Tschernobyl-Kinder e.V.“ mit teils erheblichen Summen unterstützen, könnten wir den dreiwöchigen Aufenthalt und die Reise der Kinder nicht finanzieren. Ihnen allen gilt unser großer Dank!

Wie Kinder und Betreuer neben all diesen Terminen und Aktivitäten noch eine zweistündige Aufführung zum Ukrainischen Fest auf die Beine stellen konnten, nach nur zwei Wochen, ist uns – wie all die Jahre vorher – ein Rätsel! Sehr berührend war wieder die Inszenierung der Ukrainischen Nationalhymne, die von den Kindern mit einer solchen Inbrunst gesungen wurde, dass viele Zuhörer feuchte Augen bekamen. Den großen Beifall hatten sie ehrlich verdient! Außerdem wurden viele Lieder und Tänze dargeboten, auch Gedichte und ein kleines Theaterstück. Geschmunzelt haben die Zuhörer, als die Kinder plötzlich auf Deutsch sangen: Grün, grün, grün sind alle meine Kleider…

Regine Fiebig, Vorsitzende von PRYVIT